Es war einmal …
Es war einmal eine alte. Hütte am Waldesrand. Dort, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten. Der Bach plätscherte vor sich hin, die Bäume wiegten sich im Wind und die Vögel fanden hier Zuflucht. Schmetterlinge flatterten um die alte Hütte, wenn Großmutter auf der Hausbank saß und ihren Kaffee trank. Manchmal gesellte sich Großvater zu ihr und genoss mit ihr seinen doppelten Kaffee. Sie waren zwei schöne alte Menschen. Einfach, zufrieden und besonnen. Das gelebte Leben pulsierte in ihren Adern.
Großmutter schaute gerne ins Weite und wenn jemand um die Ecke bog und ihr Grundstück betrat, so bewegte sie sich nicht vom Fleck. Der Besucher musste schon zu ihr herkommen und das Begrüßen war immer ein Prüfen. Sie war höflich, ohne Zweifel. Sie lebte schon viele Jahre an diesem zauberhaft verblümten Ort und war wahrscheinlich sogar ein wenig eigenbrötlerisch geworden. Viel brauchte sie ja nicht. Brot, Kaffee, Kräuter, Milch, manchmal kochte sie Fleisch. Sie brauchte Zeit und Ruhe und Raum. Großvater war treu an ihrer Seite und stupste sie an, wenn sie etwas aus den Augen verlor.
Jedoch war sie eine lustige Person. War sie mal in Fahrt, dann sprudelten die Witze und Wortspiele nur so aus ihr heraus, und egal wer zu ihr kam, sie wusste von jeder Person, der sie je begegnete so ziemlich alles. Und lag es Jahrzehnte zurück. Sie hatte alles in ihrer großen Cloud gespeichert und konnte es auf Befehl abrufen. Aber nur das, was womöglich den Seelen auf ihrem Weg diente.
Das war eine ihrer Medizingaben. Sie hatte auch gelernt, die Menschen so zu fühlen, dass sie manchmal förmlich auf Anhieb wusste, welches Kraut dem Menschen wohl die Augen oder Ohren öffnen würde. Denn es waren nie die Hühneraugen die weg wollten oder gar die Krampfadern oder schmerzenden Zähne. Es waren meist die Augen blind oder die Ohren taub oder der Mund verstummt. Großmutter verstand es den Menschen derart unter die Haut zu gehen, dass sich alte Schichten lösten und sich in Form von Schuppen von den Augen fiel.
Großmutter war bei weitem keine Meisterin des Lebens, sie war halt Meisterin ihres Fachs. Das genügte ihr. Scheitern in Würde wollte sie noch unbedingt lernen vor ihrem Tod, Vertrauen in die Menschen, das wäre auch noch ein Punkt auf der To Do Liste gewesen, das das sie verfeinern wollte und ihrer Enkelin Marie… ja, ihr wollte sie noch viel von ihrem Werk weiter geben. Großmutter war eine einfache Frau, die viel erlebte. Sie verband die Welten, dass es Großvater manchmal ganz schwummrig wurde vor Augen. Weil sie das tat was sie konnte. Sie sein. Sie lebte ihr Wissen, das sie hierher auf die Erde mitgebracht hatte, gab ihre Erfahrungen weiter, die sie am Weg machte, und sie erahnte:
Die Augen müssen sehen lernen
Der Mund muss sprechen lernen
und die Ohren müssen zuhören können.
Konnte sie dies an einem Tag in vollster Achtsamkeit leben, so war sie glücklich und zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann trinkt sie noch heute ihren Kaffee auf ihrer Hausbank, wartet auf die Menschen die zu ihr kommen.
Und sie sieht sie, hört ihnen zu und spricht zu ihnen.
Und manchmal hört man sie lachen die Beiden. Den Großvater und die Großmutter, wenn sie bei ihrem täglichen Kaffee über Gott und die Welt plauderten.
Monika Rosenstatter 9.9.2024
Ich freue mich schon sehr auf den morgigen Hausmittelkurs - Mutters Erdengärtchen hat so viele schöne Dinge für uns Menschen, die uns am Weg helfen.
Herzlichst Eure Monika
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